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Anlage zum Appell

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"Stimmen Sie für ein konsequentes Fracking-Verbot"

1. Die Umwelt- und Gesundheitsrisiken der Fracking-Technik sind nicht sicher beherrschbar – auch nicht in Deutschland

In den USA, wo seit gut einer Dekade massiv gefrackt wird, existiert mittlerweile eine umfangreiche Datenlage, die belegt, dass durch das Fracking Schäden an Grund-/Trinkwasser, Böden, Luft und der Gesundheit verursacht wurden. Exemplarisch verweisen wir hier auf den offenen Brief1 von über 250 Ärzten und Gesundheitsorganisationen in New York State an ihren Gouverneur Andrew Cuomo und auf ihr „Kompendium: Wissenschaftliche, medizinische und mediale Erkenntnisse über die Risiken und Schäden durch Fracking“2 vom August diesen Jahres. Mangels Forschung gibt es in Deutschland eine derartige Evidenz noch nicht. Allerdings wurden vor Kurzem signifikant erhöhte Krebsraten in einem vielfach gefrackten Erdgasförderfeld in Niedersachsen aufgedeckt.3 Der Verdacht, dass Kontaminationen durch die Gasförderung die Ursache für diese besorgniserregende Entwicklung sind, konnte bis jetzt nicht ausgeräumt werden und stellt die Unbedenklichkeit von Fracking weiter in Frage. Die Behauptung, in Deutschland sei „noch nie etwas passiert“, obwohl hier seit den 1960er-Jahren gefrackt wird, hält einer Überprüfung also nicht Stand. Sowohl die Studie des Umweltbundesamtes4 als auch die Studie des Landes NRW 5 (beide aus dem Jahr 2012) stellen fest, dass die Industrie bislang keine vollständigen Daten zu den in 141 Bohrungen vollzogenen, mindestens 354 Frack-Maßnahmen6 geliefert hat. Auch ein umfassendes Monitoring fehlt. Die Wissenschaftler mussten daher mit einer Datengrundlage von weniger als 25 % der bisher in Deutschland durchgeführten Frack-Maßnahmen arbeiten. Bereits ohne Fracking werden Risiken der „konventionellen“ Erdöl-/Erdgasproduktion nicht sicher beherrscht. Die Erdöl- und Erdgasindustrie hat hierzulande – schon ohne Fracking – allein in den letzten 10 Jahren eine beträchtliche Anzahl von Schadensfällen zu verantworten, 7 darunter zahlreiche Fälle von Leckagen, die zur Kontamination von landwirtschaftlichen Flächen und Fließgewässern geführt haben, sowie durch Förder- und Verpresstätigkeiten ausgelöste Erdbeben. Abgesehen von den geophysikalischen und materialtechnischen Unwägbarkeiten beim Fracking-Einsatz, die einige salopp als „Restrisiko“ bezeichnen: Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass eine Industrie, die die Gefahren schon bei der konventionellen Produktion nicht im Griff hat, Fracking sicher beherrschen kann.

2. Fracking konterkariert nationale und EU-Schutzziele

Für die Produktion der vermutlich gewinnbaren Schiefergasreserven in Deutschland würden nach Schätzungen des Umweltbundesamtes ca. 48.000 Bohrungen benötigt. 8 Dies würde eine Industrialisierung der betroffenen Regionen zwingend erforderlich machen. Hinzu kommt ein Wasserbedarf, der bei der Förderung aus tight-Lagerstätten und erst recht aus Schiefer-Lagerstätten die heute schon stellenweise kritische Verfügbarkeit von Wasser für die Landwirtschaft extrem übersteigen würde. Schon diese beiden Punkte allein verdeutlichen die unvermeidlichen, negativen Auswirkungen der Fracking-Technik.9 Problematisch bleiben darüber hinaus der Chemikalien-Einsatz sowie die bislang faktisch alternativlose Entsorgung des massenhaft anfallenden, hochtoxischen Flowback bzw. Lagerstättenwassers im Untergrund. Toxische Substanzen, wie z. B. Quecksilber und Benzol, gelangen so in die Umwelt, wie inzwischen vielfach nachgewiesen wurde. Induzierte Erdbeben,10 versagende Bohrlochintegrität,11 Methanleckagen,12 Luftverschmutzung durch Abfackeln13 von wenig bis nicht gereinigtem Rohgas und die Industrialisierung der Landschaften sind schwerwiegende Faktoren, die den Zielen des Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutzes und der Raumordnung sowie der Energiepolitik in Deutschland und der EU entgegenstehen und eine Erweiterung der Erdöl- und Erdgas-Produktion mittels Fracking verbieten.

3. Fracking ist energiepolitischer Unsinn

Gefracktes Gas kann nicht zu einer größeren Versorgungssicherheit führen. Der Anteil des insgesamt in Deutschland geförderten Gases beträgt lediglich ca. 2–2,5 Prozent am deutschen Gesamtprimärenergieverbrauch. Demgegenüber beträgt der Anteil der erneuerbaren Energieträger inzwischen schon rund 12 Prozent.14 Dies zeigt deutlich, dass Deutschlands Energieunabhängigkeit nicht mit der Ausweitung der Förderung fossiler Brennstoffe verbunden sein kann. Nicht umsonst resümierte der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hinsichtlich des Themas Fracking letztes Jahr, dass die Gewinnung von Schiefergas in Deutschland weder die Gaspreise senken noch die Versorgungssicherheit erhöhen würde. Der SRU ist der Auffassung, dass kein besonderes übergeordnetes öffentliches Interesse, möglicherweise aber ein betriebswirtschaftliches Interesse der Industrie an der Erschließung besteht.15 Hinzu kommt, dass aktuell jährlich ca. 150 Milliarden m3 Erdgas bei der Erdöl-/Erdgasförderung weltweit abgefackelt werden. Das entspricht ca. 5 Prozent der weltweiten Erdgas-Produktion oder ca. 30 Prozent des Verbrauchs in der EU oder knapp 200 Prozent des Jahresbedarfs der Bundesrepublik Deutschland. Dabei werden jährlich ca. 400 Mio. Tonnen des Treibhausgases CO freigesetzt.16 Allein schon diese nutzlos und klimaschädlich vernichteteten Energiemengen 2 machen deutlich, wie überflüssig und unverantwortlich es ist, Fracking auch nur in Betracht zu ziehen. Zudem besteht kein dringender Handlungsbedarf: „Beim derzeitigen weltweiten Verbrauch geht man davon aus, dass die bereits bekannten konventionellen Erdgasreserven noch für rund 130 Jahre ausreichen werden.“17 Vor dem Hintergrund sehen Finanzökonomen im Fracking heute sogar eine falsche Entscheidung, da das vorzeitige Heben des Bodenschatzes ein unnötiges Verbrennen von Deutschlands „Guthaben“ bedeuten würde (ibid.).

4. Fracking ist kein wirtschaftspolitisch relevanter Faktor

Gemäß Bundesberggesetz gehört der Gewinn aus gefördertem Gas/Öl dem Unternehmen, das den Bodenschatz hebt. Das Unternehmen kann mit dem Bodenschatz auch über Deutschlands Grenzen hinweg Handel betreiben. Deshalb ist eine Bezeichnung als "heimisches Gas" irrefüh- rend. Den Bundesländern steht lediglich ein vergleichsweise geringer Anteil als Förderzins zu. Diesen Einnahmen stehen Wertverluste an Grundstücken, aus dem Tourismus etc., steigende Kosten für die Instandhaltung der öffentlichen Infrastruktur, steigende Gesundheitskosten etc. gegenüber. Diese Kosten belasten allerdings nicht die verursachenden Unternehmen, sondern die Volkswirtschaft. Auch kämen die gewonnenen Bodenschätze nicht automatisch den inländischen Verbrauchern zu Gute, sondern würden auf dem Weltmarkt meistbietend verkauft. Daher würde Fracking auch nicht, wie in den USA, zu sinkenden Energiepreisen führen. Fachleute aus der Energiewirtschaft gehen davon aus, dass sich die Ausbeutung unkonventioneller Gasvorkommen in der EU erst rechnen würde, wenn der Gaspreis für konventionell gefördertes Erdgas von derzeit 27 Euro/Megawattstunde auf 40-60 Euro/Megawattstunde steigt.18 Hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen ist Fracking kein Hoffnungsträger. Zurzeit sind mit der Erdöl-/Erdgasproduktion (mit und ohne Fracking) relativ wenige, nämlich etwa 10–20.000 Menschen beschäftigt,19 im Vergleich zu über 371.400 Beschäftigten im Bereich Erneuerbarer Energien.20

5. Fracking und Energiewende passen nicht zusammen

Mit der Forderung nach einem konsequenten Verbot von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen verlangen die deutschen Anti-Fracking-Initiativen nicht mehr und nicht weniger als die Beachtung und die Umsetzung der in Art. 20 a GG verankerten Staatszielbestimmung. Hiernach ist der Staat verpflichtet – auch in Verantwortung für die zukünftigen Generationen – die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Artikel 37 Grundrechtecharta der EU schreibt ebenfalls vor, dass ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität in die Politiken der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden müssen. Durch eine Entscheidung für Fracking würden diese fundamentalen Rechtsprinzipien der EU und Bundesrepublik Deutschland sowie alle Bemühungen für die Energiewende ad absurdum geführt. Damit würde Deutschland seine globale Vorreiterrolle in dieser Frage abgeben. Immer mehr Menschen in Deutschland und weltweit haben das verstanden. Europaweit unterstützen mittlerweile über 290 NGOs, Bürgerinitiativen, politische Organisationen, Unternehmen und Kommunen die Korbacher Resolution.21 Damit fordern sie u. a. ein konsequentes Verbot von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen und ein konsequentes Umsetzen der Energiewende. Die zuletzt übergebenen 660.000 Unterschriften gegen Fracking 22 in Deutschland bekräftigen das überfällige Umsetzen dieser Forderungen.

Fazit

Wir halten Fracking aufgrund der dargelegten, nicht beherrschbaren Risiken für unverantwortbar, aufgrund mangelnder energiepolitischer Notwendigkeit für überflüssig und, weil es die intakte Umwelt gefährden und den Ressourcenreichtum Deutschlands unnötig verringern würde, für einen Raubbau am Erbe unserer Nachfahren.

Quellen Nachweise

1 Concerned Health Professionals of NY, Open Letter to Gov. Cuomo, 29.05.2014 http://concernedhealthny.org/letters-to-governor-cuomo/

2 Concerned Health Professionals of NY, 10.07.2014, NEW COMPENDIUM OF SCIENTIFIC, MEDICAL AND MEDIA FINDINGS DEMONSTRATING RISKS AND HARMS OF FRACKING (UNCONVENTIONAL GAS AND OIL EXTRACTION) http://concernedhealthny.org/wp-content/uploads/2014/07/CHPNY-Fracking-Compendium.pdf Übersetzung der Zusammenfassung ins Deutsche: http://www.gegen-gasbohren.de/2014/08/27/neue-sammlung-von-wissenschaftlichen-medizinischen-und-medialen-erkenntnissen-die-die-risiken-und-leiden-durch-fracking-aufzeigen/

3 Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen, Sonderauswertungen Samtgemeinde Bothel. 11.09.2014

4 Meiners HG et al. (2012), UFOPLAN FKZ 3711 23 299 – Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung aus

5 Meiners HG et al. (2012), Fracking in unkonventionellen Erdgas-Lagerstätten in NRW

6 Siehe Endnote 4.

7 BI Fracking Freies Harburg: Liste von Störfällen in der E&P-Industrie in Norddeutschland

8 Dannwolf U et al. (2014), Gutachten 2014: Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas insbesondere aus Schiefergaslagerstätten

9 Siehe Endnote 7.

10 The Real News (Jan. 2014), Seismologist: Fracking Injection Wells Linked to Earthquakes – Interview with seismologist E. Cochran

Keranen KM et al., Potentially induced earthquakes in Oklahoma, USA: Links between wastewater injection and the 2011 M w 5.7 earthquake sequence. GEOLOGY, June 2013; v. 41; no. 6; p. 699–702. http://profile.usgs.gov/myscience/upload_folder/ci2013May3015351271984Keranen etal Geology 2013.pdf LBEG, 8.7.14, Erdbeben bei Syke vom 01.05.2014: LBEG und BGR veröffentlichen Untersuchungsergebnisse http://www.lbeg.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/titel-126148.html

11 Scinexx, Sept. 14, Fracking: Bohrlöcher sind undicht http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-18016-2014-09-16.html Darrah TH et al. (2014), Noble gases identify the mechanisms of fugitive gas contamination in drinking-water wells overlying the Marcellus and Barnett Shales. PNAS vol. 111 no. 39: 14076-81. http://www.pnas.org/content/111/39/14076.full Archer (2011), Better well integrity http://www.shalepropertyrights.com/blog/wp-content/uploads/2012/07/ARCHER-well_integrity_failure_presentation1.pdf

12 Ingraffea AR et al. (2014), Assessment and risk analysis of casing and cement impairment in oil and gas wells in Pennsylvania, 2000–2012. PNAS vol. 111 no. 30: 10955-60. http://www.pnas.org/content/111/30/10955.abstract Karion A et al., (2103), Methane emissions estimate from airborne measurements over a western United States natural gas field. Geophysical Research Letters, Volume 40, Issue 16, pages 4393–439 http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/grl.50811/abstract Alvarez RA et al. (), Greater focus needed on methane leakage from natural gas infrastructure. PNAS vol. 109 no. 17: 6435-40. http://www.pnas.org/content/109/17/6435.full

13

14 GE-Study Flare gas reduction http://www.ge-energy.com/content/multimedia/_files/downloads/GEA19938%20Flare_Gas.pdf BMWi, 14.03.2014, Primärenergieverbrauch in Deutschland 2013 http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/P-R/primaerenergeiverbrauch,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf BDEW, Zehnjahresvergleich Erdgasaufkommen in Deutschland nach Herkunftsländern, Stand 02/2013 http://www.kwh-preis.de/wp-content/uploads/images/erdgas-bezugsquellen.jpg

15

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17 SRU (2013), Fracking zur Schiefergasgewinnung. Ein Beitrag zur energie- und umweltpolitischen Bewertung – Stellungnahme http://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2012_2016/2013_05_AS_18_Fracking.pdf?__blob=publicationFile Siehe Endnote 12. Konrad KA, Schöb R, Fracking in Deutschland - eine Option für die Zukunft! Wirtschaftspolitik – Z f Wirtschaftspol 94. Jahrgang, 2014, Heft 9 | S. 645- 650. http://www.wirtschaftsdienst.eu/archiv/jahr/2014/9/fracking-in-deutschland-eine-option-fuer-die-zukunft/#footnote-30219-10 Vgl. hierzu Shell: Erdgas - Eine Brückentechnologie für die Mobilität der Zukunft?, Shell Erdgaskraftstoff-Studie 2013, S. 9.

18 Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim (2013), Traum oder Albtraum? Aussichten für die Förderung unkonventioneller Gase in

19 Mitteilung WEG, 13.11.2014

20 Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie Beschäftigung durch erneuerbare Energien in Deutschland im Jahr 2013: Ausbau und Betrieb - heute und morgen, dritter Bericht zur Bruttobeschäftigung http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/B/bericht-zur-bruttobeschaeftigung-durch-erneuerbare-energien-jahr- 2013,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

21 Korbacher Resolution

22 BUND – Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (2014), Fracking stoppen, Fracking-Mythen entlarven

Fracking/Petition (zuletzt geändert am 2014-12-03 20:23:03 durch KurtGramlich)

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