Ein Artikel von gestern und ein Kommentar dazu von heute
08.08.2007
dpa BREMEN (gn/e)Möglicherweise stellt die swb AG die Planungen für ihr umstrittenes Kohlekraftwerk ein. Zumindest gibt es "neue Entwicklungen", wie die Stadtwerke gestern mitteilten.
"Es finden Gespräche statt." Mehr ist derzeit nicht zu erfahren vom großen Tauziehen zwischen der Umweltbehörde und dem Energieversorger swb um das geplante große Kohlekraftwerk. Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne) ist sich sicher, dass die geplante Kohle-Verbrennungstechnik nicht zu den energiepolitischen Zielen der EU passt und mittelfristig eine moderne Energiepolitik in Bremen eher blockieren wird. Eine "große Wolkenmaschine" sei das geplante Kraftwerk, pflegt Loske zu scherzen.
"Wir sind dabei, eine Umweltstrategie zu erstellen", sagt Iris Klauck, Geschäftsführerin der Ökostrom-Tochter der swb "Pro Natur", wenn es ums Thema Energiesparen geht. Mit dem neuen Steinkohlekraftwerk in Mittelsbüren? Nun, dazu wollten die Stadtwerke gestern nichts sagen. Aber heute will die swb Näheres verraten. Insider mutmaßen, dass das Kohlekraftwerk nicht mehr gebaut wird - möglicherweise aus Kostengründen.
Unterdessen wird ums Thema Energiesparen hart gerungen. Denn andere Energieversorger sind da schon weiter. Die swb begleitet das Tauziehen um das Kohlekraftwerk mit einer Kampagne für Image als modernes Stromversorgungsunternehmen. Dabei geht es der swb auch um die kleinen Sparpotenziale - 55 praktische Stromspartipps werden angeboten. "Die Unkenntnis ist in diesem Bereich groß", sagen die swb-Berater. Drei Minuten lang warmes Wasser laufen zu lassen kostet rund 20 Cent Strom - wenn die Warmwasserbereitung nicht an die Gasheizung gekoppelt ist. Wer Computer, Drucker oder Modem das ganze Jahr laufen lässt, zahlt dafür auf der Stromrechnung 400 Euro im Jahr und mehr. Und die schönen Wasserbetten fressen Strom wie eine kleine Heizanlage. Bis zu 25 Prozent schwanken die Stromkosten zwischen denen, die besonders gedankenlos Strom verbrauchen, und den absoluten Spar-Füchsen. Für einen Normalhaushalt ist ein Sparbeitrag von zehn Prozent schon mühsam zu erreichen.
Andere Energieversorger haben da weitergehende Ziele. Es gibt Technologien, mit denen die Heizkosten halbiert werden könnten. Etwa die alte "Sterling"-Technik. Nach einem 1816 von Robert Sterling erfundenen Prinzip wird die Abwärme zur Stromproduktion genutzt. "Wir testen das im Feldversuch", sagt der Sprecher des Mannheimer Stromversorgers MVV Energie. 20 Test-Haushalte sind 2006 mit der Heizungsanlage von 'Whisper Gen' ausgestattet worden. Die liefern Wärme und Strom gleichzeitig. Statt der sonst erreichbaren Energieausbeute von 40 Prozent erreichen die 'Whisper Gen'-Geräte weit über 80 Prozent. Beteiligt an dem ersten bundesweiten Feldversuch sind drei Stadtwerke der MVV Gruppe: Mannheim, Solingen und Kiel.
Die Mannheimer wollen den Strom sogar direkt ins Niedrigspannungsnetz einspeisen und dann an die Nachbarschaft liefern. "Die Technik steht", sagt der Stadtwerke-Sprecher. Wenn die Geräte in größeren Mengen produziert werden, würden sie auch im Preis mit herkömmlichen Heizungsanlagen mithalten können.
Wäre nur die Hälfte der Haushalte mit 'Whisper Gen' ausgestattet, könnten ganze Kraftwerksblöcke stillgelegt werden, heißt es. Und: Jedes Gerät spart im Vergleich mit einem Gas-Brennwertkessel rund eine Tonne CO2 pro Jahr ein.
Das Problem der Verteilung: Die Anlagen liefern nur dann Strom, wenn die Heizung läuft. Das bedeutet: Die 'Whisper Gen'-Geräte sind kleinste Blockheizkraftwerke und passen zu flexibleren größeren Gas-Kraftwerken - nicht zu starren Kohleblöcken, deren Rentabilität davon abhängt, dass sie nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter mit maximaler Leistung betrieben werden. In England ist die Sterling-Technik schon weiter verbreitet. [08.08.2007]
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UND EIN KOMMENTAR VON HEUTE DAZU
Kohlekraftwerk Kommentar: Aus der Not geboren
Die Luft ist raus aus dem Streit ums Kohlekraftwerk in Mittelsbüren. Die swb AG hat einen Rückzieher gemacht. Aus wirtschaftlichen Gründen - und nur aus wirtschaftlichen Gründen, wie der Vorstandsvorsitzende Dr. Wilhelm Schoeber gestern betonte.
Dabei waren die politischen Wellen vorher hoch geschlagen. Die neue rot-grüne Koalition stand vor ihrer ersten Belastungsprobe, hatten die Grünen vor der Wahl doch versprochen, mit ihnen werde es ein neues Kohlekraftwerk nicht geben. Übrig davon blieb, verwässert durch Koalitionszwänge, ein "ergebnisoffenes Moderationsverfahren".
Die Unternehmenspolitik hatte auf dem Prüfstand gestanden: Ist es zeitgemäß, in der Energiepolitik auf alte Technologien und fossile Brennstoffe zu setzen? Das Argument der swb: Der Block 21 löse ältere, nicht effiziente Kraftwerke ab.
Nun, da das Projekt zunächst beerdigt ist, präsentiert die swb-Führung ein Projekt, bei dem vorsortierter Abfall verbrannt, aus ihm also Energie erzeugt wird. Beim Gaskraftwerk Hastedt wird durch das Vorschalten einer Gasturbine der Wirkungsgrad von bisher 36 auf über 50 Prozent erhöht. Und im Hafen könnte statt Kohle Biomasse verfeuert werden. Zudem will die swb mehr Strom aus regenerativen Energien anbieten.
Aus der (wirtschaftlichen) Not geboren, scheint die swb die Gunst der Stunde für eine Kehrtwende zu nutzen - dazu kann man sie nur beglückwünschen.
Ralf Sussek [09.08.2007]
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