23.08.2007

Kraftwerksinvestition ist nicht entscheidungsreif

Mit dieser Überschrift sind unsere beiden Ratsmitglieder Harald Buschmann und Otto Sauer am 22.08.07 um 11.00 Uhr in eine Pressekonferenz gegangen, um erneut (wie schon seit Monaten aktiv betrieben) darzulegen, dass die Stadtwerkeplanung, die den Bau eines Kohlekraftwerks mitten in Bielefeld vorsah, grundsätzlich überarbeitet werden muss.

Um die Mittagszeit des 22.08. überschlugen sich dann die Ereignisse. Die Stadtwerkegeschäftsführung führte in einer einberufenen Aufsichtsratsitzung den Beschluss herbei, die Planung für das Kohlekraftwerk zu den Akten zu legen. Begründung: Die Kosten für diese Investition seien von 160 Mio. € auf 210 Mio. € gestiegen.

Inkompetenz wollen wir nicht unterstellen, aber doch Unglaubwürdigkeit! In einem umfangreichen Fragebogen an die Stadtwerke und zwei Gutachter haben wir u.a. geschrieben: „Die Investitionskosten des geplanten Kraftwerks betragen 1670 € pro kW und bei Großkraftwerken zwischen 900 und 1100 € pro kW.“ Auf diese Feststellung haben die Stadtwerke am 17.7.07 also gerade vor einem Monat geantwortet: „Der von SW angegeben Wert der Investitionskosten spiegelt den aktuellen Markt wieder, während die 900 bis 1100 € pro kW für Großkraftwerke mittlerweile einer deutlichen Korrektur nach oben bedürfen (mindestens 30% höher)“. Woher kommt nun diese wundersame Erkenntnis innerhalb von 4 Wochen, ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Da inzwischen gemäss der heutigen Presse (23.8.) die SWB auch die Idee aufgegriffen haben, die MVA stärker zur Fernwärmeversorgung heranzuziehen und die Eigenstromerzeugung auf das Großkraftwerk Veltheim, an dem eine Drittelbeteiligung besteht, zu konzentrieren, können wir unseren Vorschlag, der seit Monaten genau in diese Richtung geht, nur als Trendsetter bezeichnen.

Nachstehend erfolgt zunächst die Zusammenfassung der Stellungnahme der FDP in Form einer Pressemitteilung und als Anlage die detaillierte Ausarbeitung zu den in der Zusammenfassung gemachten Aussagen.

Pressemitteilung Nachdem seit Mitte Juli die Antworten der Stadtwerke und der MVA auf die Fragen der Ratsparteien vorliegen, haben die zwei Gutachter Anfang August eine Empfehlung ausgesprochen, dass ein Kohlekraftwerk unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten günstiger ist als ein Gaskraftwerk.

Um zu dem Ergebnis zu kommen, dass bei einem Grundlastkraftwerk Gas teurer ist als Kohle dazu hätte es keiner Gutachter bedurft, dieses Ergebnis war offensichtlich und von der FDP seit Monaten dargestellt.

Für die FDP ist nicht akzeptabel, dass schlussendlich nur noch zur Frage Stellung genommen wurde, welcher Brennstoff zum Einsatz kommt. Die Grundsatzfrage aber, ob das Kraftwerk in dieser Größe gebaut werden soll, wurde nicht konsequent auf die vorgeschlagenen Alternativen hin untersucht.

Nach Auffassung der FDP ist das Ziel der Stadtwerke, die Fernwärmeversorgung mit Kraft-Wärme-Kopplung zu sichern und mehr Strom als bisher selbst zu erzeugen, jedoch auf anderem Wege ökonomisch und ökologisch besser zu erreichen. Unsere Vorschläge dazu haben wir auf unserer Internetseite www.fdp-bielefeld.de ausführlich dargestellt, die wir nachstehend wie folgt zusammenfassen:

Fernwärme Zur Zeit liefert die MVA 46% Fernwärme ins Stadtwerkenetz. Nach der vorliegenden Planung soll dieser Anteil auf 65% steigen – ein sinnvoller Schritt! Jedoch stehen weitere 90 Mio. kWh von der MVA bei reiner Kraft-Wärme-Kopplung zur Verfügung. Damit erhöht sich der Anteil auf 80% des Fernwärmebedarfs. Eine zusätzliche Leitung zwischen MVA und SWB muss gebaut werden.

Nun werden folgende Einwände seitens der Stadtwerke gebracht, denen sich die Gutachter zunächst kritiklos angeschlossen haben

SWB: Die Leitung kostet zwischen 15 und 18 Mio. € (laut Gutachter sehr hoch gegriffen), dies ist zu teuer.

FDP: Die jährlichen Kapitalkosten für diese Leitung sind nicht höher als die rund 10% anteiligen Kapitalkosten des Kohlekraftwerkes in Höhe von 160 Mio. €, die für die 90 Mio. kWh gerechnet werden müssen, wenn man sie im Kohlekraftwerk erzeugt.

SWB: Die Abhängigkeit von der MVA ist zu groß.

FDP: Ob man nun zu 65% oder 80% von der MVA abhängig ist, ist hierfür wirklich kein Argument. Wenn jemand als abhängig bezeichnet werden könnte, dann die MVA, denn sie hat für Wärme nur die SWB als Abnehmer. Ein solches Verhältnis klärt man mit ordentlichen Verträgen!

SWB: Eine von den drei Verbrennungslinien kann ausfallen.

FDP: Neben den geplanten Stillstandszeiten für Revisionen, die man in den Sommer legt, muss laut SWB mit einer Woche ungeplantem Ausfall gerechnet werden, Diesen kann man ausgleichen, indem man für die zwei Tage, die statistisch auf die Wintermonate fallen, die Turbine umgeht. Aber praktisch für die komplette übrige Zeit kann die Stromerzeugung in der MVA voll in Kraft-Wärme-Kopplung erfolgen.

SWB: Bei Ausfall des praktisch neuen Dampferzeugers bei SWB reicht die Ersatzkapazität nicht.

FDP: Dies können wir nach den vorliegenden Unterlagen nicht erkennen. Die Fernwärmehöchstlast ist in dem technischen Konzept der SWB mit 226 000 kW angegeben und dies stimmt auch mit der Belastungskurve der letzten Jahre laut Gutachten überein. Die installierten Reserven in Form der Spitzenheizwerke reichen demnach aus. Zusätzlich könnte für diesen Notfall die Turbinenumgehungen in der MVA genutzt werden, um mehr Wärme zu erzeugen.

Fazit: Die 90 Mio. kWh, die sonst durch Kühlung in der MVA vernichtet würden und somit in der Gesamtbetrachtung nichts kosten, entsprechen 12 400 t Kohle, die nicht verbrannt werden müssen mit einem CO2-Ausstoss von 33 000 t und Kosten von 900000 € pro anno, die im Betrachtungszeitraum durch steigende Kohlepreise auf 240% entsprechend über 2 Mio. € pro anno steigen. Die Größenordnung von 90 Mio. kWh kann man dann richtig ermessen, wenn man bedenkt, dass laut SWB heutzutage nur 21 Mio. kWh an erneuerbaren Energien ins Bielefelder Netz eingespeist werden.

Zusätzliche Stromerzeugung Wenn aus strategischen Gründen eine größere Eigenerzeugung erforderlich ist, so ist es günstiger, sich an einem großen Kohlekraftwerk – wie jetzt schon in Veltheim – zu beteiligen.

Nur so lassen sich die ökonomischen und ökologischen Vorteile sinnvoll nutzen, denn bei voller Nutzung der Wärme aus Kraft-Wärme-Kopplung der MVA, wie vorgeschrieben, würde das geplante 100 MW Kohlekraftwerk zu ca. 90% im reinen Kondensationsbetrieb laufen mit einem Energienutzungsgrad von 39%. Dagegen hat ein Großkraftwerk in der Durchschnittsgröße von 750 MW mindestens 45%.

Bei den von SWB geplanten Strommengen ergibt sich eine Energiedifferenz im einzusetzenden Brennstoff zwischen kleinem und großem Kraftwerk von 235 Mio. kWh pro Jahr. Dies entspricht einem Mehrverbrauch beim geplanten Kraftwerk von 29 000 t Kohle pro Jahr entsprechend 78 000 t CO2-Ausstoss und Kosten von 2,1 Mio. € pro anno, die im Betrachtungszeitraum auf 240% = 5 Mio. € pro anno ansteigen.

Die Kapitalkosten sind, auf den Anteil des geplanten 100 MW Kraftwerks bezogen, ca. 3,9 Mio. pro anno höher. Hiervon kann der jährliche Aufwand für die zusätzliche Leitung abgezogen werden in Höhe von 1,3 Mio. €.

Bei dieser Lösung werden die restlichen 20% Fernwärme mit Gas erzeugt, größtenteils im vorhandenen Gaskraftwerk in Kraft-Wärme-Kopplung, nur der Rest in den Spitzenheizwerken. Dies ist etwas teurer als mit Kohle, aber saldiert hat diese Kombination immer noch einen Vorteil von 3,5 Mio. € pro Jahr gegenüber dem Kohlekraftwerk.

Wir fordern die Stadtwerke auf, diese Argumente gutachterlich zu prüfen und eine neue Planung vorzulegen.

Dabei muss insbesondere auch beachtet werden, dass Grund- und Spitzenlast durch Verbesserung der Energieeffizienz und durch Fortschritte beim Einsatz von regenerativen Energien, z.B. Biogasanlagen und ggf. dezentralen Erzeugern gesenkt werden.

Anlage Durch den im Jahr 2006 beschlossenen Ausbau der Müllverbrennungsanlage (MVA) wird künftig mit den drei Verbrennungslinien in Kraft-Wärme-Kopplung nicht nur eine von 118 Mio. kWh auf 185 Mio. kWh erhöhte Stromerzeugung erreicht sondern auch eine Wärmeleistung von 88 000 kW. Von dieser Leistung ist durch die derzeitige Leitungsführung zwischen MVA und SWB nur 60 000 kW zu übertragen. Dies bringt zwar eine Steigerung von derzeit 271 Mio. kWh = 46% Anteil des Gesamtbedarfes der Fernwärmeversorgung auf 385 Mio. kWh = 65%. Mit einer zusätzlichen Leitung lassen sich mindestens die 28 MW Wärmeleistung übertragen soweit Fernwärmebedarf da ist. Dies wird nur in den Wintermonaten der Fall sein, aber nach Berechnung der FDP und Bestätigung durch die Stadtwerke gibt dies die zusätzliche Wärmemenge von 90 Mio. kWh, so dass dann der Anteil auf die genannten 80% der Fernwärmeversorgung steigt.

Die Kapitalkosten für diese zusätzliche Leitung werden im Gutachten zutreffend angegeben mit 13,3 € pro 1000 kWh. Dagegen sind die anteiligen Kapitalkosten des Kohlekraftwerks zu rechnen. Die von den Stadtwerken angegebenen jährlichen Kapitalkosten der 160 Mio. € Investition sind ca. 12,4 Mio. € pro anno. Dividiert durch die geplante gesamte Jahresarbeit von 743 Mio. kWh Strom und 208 Mio. kWh Wärme ergeben sich Kapitalkosten von 13,1 € pro 1000 kWh. Also praktisch derselbe Wert wie für die Fernwärmeleitung. Inzwischen ist dies durch die Korrektur der Investitionskosten von 160 Mio. € auf 210 Mio. € überholt. Die Kapitalkosten sind demnach für die anteilige Kraftwerksleistung deutlich höher als für die neu zu verlegende Fernwärmeleitung.

Wichtig: In beiden Fällen wird die Wärme in reiner Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt.

Zur Frage der Abhängigkeit von der MVA sind die in der Pressenotiz gemachten Angaben ausreichend.

Ebenfalls die Aussagen zum tageweisen Ausfall einer Verbrennungslinie.

Der wesentliche Punkt der Nutzung der 90 Mio. kWh ist sowohl ein ökonomischer als auch ökologischer.

Für die 90 Mio. kWh ist im Kohlekraftwerk ein anteiliger Kohlepreis von 9 € pro 1000 kWh aufzuwenden bei einem Wirkungsgrad von 90%. Dies ergibt die angegeben 900 000 €.

Nun ist in der Prognos-Studie über die Laufzeit des geplanten Kraftwerkes von 30 Jahren eine Energiepreissteigerung bei Kohle auf 240% angegeben, so dass den „Nullkosten“ bei der MVA ein Aufwand von mehr als 2 Mio. € pro anno an zusätzlichen Kohlekosten gegenübersteht.

Die 12 400 t Kohle, die gebraucht werden, errechnen sich aus dem Heizwert der Kohle für die 90 Mio. kWh und die 33 000 t zusätzlicher CO2 –Ausstoß wurde einer Auskunft von Herrn Prof. Schmitt entnommen (einer der Gutachter, die am 20.5. referiert haben).

Bei der zusätzlichen Stromerzeugung im geplanten Kraftwerk sind die genannten 235 Mio. kWh zu erläutern. Im reinen Kondensationsbetrieb sollen ca. 685 Mio. kWh Strom erzeugt werden. Dies gibt bei 39% Energienutzungsgrad einen Brennstoffeinsatz mit einem Heizwert von 1757 Mio. kWh und bei 45% Nutzungsgrad einen Energieeinsatz 1522 Mio. kWh. Daraus ergibt sich die Differenz der genannten 235 Mio. kWh.

Die jährlichen Kapitalkosten des Kohlekraftwerkes wurden von SWB bisher mit 12,4 Mio. € angegeben (Investitionskosten von 1600 € pro kW) , dagegen sind die jährlichen Kapitalkosten eines Großkraftwerkes mit 1100 € pro kW anzusetzen. Damit belaufen sich diese jährlichen Kapitalkosten auf 1100 : 1600 X 12,4 = 8,5 Mio. € . So entsteht die Differenz von 3,9 Mio. € pro anno.

Durch die Verteuerung beider Investitionen um jeweils 30% steigt die Differenz auf 5,1 Mio. pro anno zugunsten des Großkraftwerkes. Entsprechend steigen die saldierten Vorteile unseres Vorschlages von 3,5 auf 4,7 Mio. € pro anno.

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