Rede von Ann-Kathrin Warzecha im Ausschuss Planen Bauen und Immobilien 16.04.2021

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,

Ich bedanke mich für die Gelegenheit, hier unser Anliegen erläutern zu dürfen. Wir schätzen sehr, dass Sie sich die Zeit nehmen.

Ich stelle mich kurz vor:

Ich bin Biologin an der Universität Bielefeld. und Teil eines Teams von Wissenschaftler*innen, die die Lectures for Future an der Universität Bielefeld organisieren. Diese Veranstaltung greift wissenschaftlichen Erkenntnissen über alle Aspekte der Krise unseres Zeitalters, dem sogenannten Anthropozän, auf, und stellt einen Dialog her, auch zu

Fragen wir wir Wissen in Handeln umsetzen können.

Darüber hinaus bin ich stellvertretendes Mitglied des Klimabeirats der Stadt Gütersloh. Ich verspreche Ihnen, mich kurzzufassen. Für unsere Argumentation ist jedoch zumindest eine kurze Einordnung in unser Zeitalter notwendig, in der wir Menschen entscheidend prägen, wie sich der von uns bewohnte Planet verändert.

Wissenschaftler*innen sind ist sich hinsichtlich der beiden im wahrsten Sinne des Wortes gewaltigen Herausforderungen einig: Erderhitzung und Artensterben werden verursacht durch die Art und Weise wie wir die Ressourcen nutzen ­ insbesondere auch die Flächen. Ich glaube nicht, dass wir noch darüber sprechen müssen, dass unser Wohlergehen ­ oder zumindest das unserer Nachkommen ­ dadurch massiv gefährdet ist. Das Ganze ist nicht graue Theorie sondern das passiert tatsächlich. Wir kennen den Zustand des Teutoburger Waldes, wir haben von den Ernteausfällen zumindest gehört. Es gab Hitzerekorde. Das sind lokale Auswirkungen.

Global erreichen wir Kippunkte, die ein Einlenken verhindern. (Klar man kann noch versuchen zu lenken, aber die Richtung lässt sich dadurch nicht mehr ändern.) Diese Erkenntnis, dass wir uns unsere Lebensgrundlagen entziehen, münden in nationale und internationale Vereinbarungen. Zu den jüngeren gehört das Pariser Klimaabkommen und die von der UN verabschiedete Agenda 2030. Beide wurden 2015 beschlossen – also in dem Jahr, in dem auch der Beschluss zu einem neuen Regionalplan fiel. Ein Regionalplan, der für die nächsten 20 Jahrzehnte gelten soll, muss diese international vereinbarten Ziele sicherstellen. Das tut er leider nicht, obwohl eine zukunftssichernde Raumplanung seine Aufgabe wäre.

An einem Beispiel möchte ich ein eklatantes Defizit des Regionalplans aufzeigen. Sie kennen sicherlich die Sustainable Development Goals der Agenda 2030 – also die globalen Nachhaltigkeitsziele, die in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie aufgegriffen wurden. Eines der Ziele, das elfte, begrenzt schon für das Jahr 2020 den täglichen Flächenverbrauch auf 30 ha/Tag bundesweit. Bis zum Jahr 2050 sollen keine Flächen zusätzlich mehr versiegelt werden.

30 ha pro Tag im gesamten Bundesgebiet bedeutet für Gütersloh mit einer viel geringeren Fläche entsprechend weniger. Rechnet man das Nachhaltigkeitsziels auf Gütersloh um, so kommt man zu 3,4 ha pro Jahr. Mit jedem weiteren Jahr, wird es etwas weniger, weil ja völlig klar ist, dass irgendwann die Flächen aufgebraucht sind und weil 2050 keine weiteren Flächen mehr versiegelt werden sollen. Über 20 Jahre hinweg kommt man für Gütersloh dann auf 45 ha. Und jetzt kommt der springende Punkt: Im Regionalplan ist mehr als das 10-fache als Flächenkontingent ausgewiesen! Beachten sie: Dabei handelt es sich nicht um Potenzialfläche sondern tatsächlich als zur Bebauung für Wohnraum und Gewerbe erlaubte Fläche.

Wir empfehlen deswegen eindringlich, diese Diskrepanz an die Regionalplaner*innen in Detmold weiterzugeben, eine Korrektur einzufordern und 90 Prozent des angegebenen Kontingents aus dem Regionalplan herauszunehmen.

Die Flächen brauchen wir für anderes – als Frischluftschneisen, als Wasser­ und CO2­Speicher und nicht zuletzt für unserer Ernährung. Die Pandemie hat gezeigt wie verletzlich die internationalen Handelsbeziehungen sind. D.h. wir sollten eine Versorgung mit regionalen Lebensmitteln gewährleisten. Auf versiegelten Flächen wie Straßen, Gebäuden und Autobahnen wächst nun mal weder Weizen noch Kartoffeln noch Gemüse.

Welche Flächen sollen denn rausgenommen werden? Dazu möchte ich abschließend an die Empfehlungen des Klimabeirats verweisen. Aufgrund der zunehmenden Erderhitzung und Extremwetterereignissen bilden sich Wärmeinseln, in denen die Temperaturen 10 Grad über denen des Umlandes liegen können. Wissenschaftliche Prognosen zeigen, dass sich die Anzahl der Tage mit extrem hohen Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten häufen werden. Studien haben bereits gezeigt, dass solche Hitzephasen in Innenstädten Menschenleben kosten. Das gilt es zu verhindern. In der einstimmig angenommenen Stellungnahme des Klimabeirats finden Sie für Gütersloh konkrete Vorschläge, welche (Teil­) Flächen wir zur Rücknahme empfehlen: ABS­ 004, ­005, ­006, ­008, ­024.

Anfangs erwähnte ich: wir wollen und müssen vom Wissen zum Handeln kommen. Nutzen Sie mit Ihrem Votum die Möglichkeit, Gütersloh in dieser elementaren Weise zukunftsfähig zu machen. Ich weiß, dass, dies nicht einfach ist. Es kostet viel Zeit und Kraft, nachhaltig zu werden. „Freie“ Flächen zu überplanen, scheint so viel einfacher, als Alternativen zu entwickeln. Wir sollten unsere Städte und Flächen so entwickeln, dass unsere Nachkommen nach allem, was wir wissen, ein gutes Leben führen können. Deswegen bitte ich Sie dringend, Ihren Teil dazu beizutragen, dass der Regionalplan nationale und internationale Vereinbarungen einhält und den Empfehlungen des Klimabeirats zu folgen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Ihre Fragen beantworte ich gerne.

AnneKathrinWarzecha/Rede/2021-04-16 (zuletzt geändert am 2022-03-27 19:13:20 durch KurtGramlich)

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