Leserbrief zur Digitalisierung in GT

Leserbrief zu "Digitalisierung »auf gutem Weg« 03.09.2020"

Die Stadt hat ein dickes Brett zu bohren, die Digitalisierung an Schulen voranzutreiben. Wegen des fehlenden Personals, das den Support gewährleisten muss, besteht die Tendenz, einfache Lösungen zu bevorzugen. Das zeigt sich im Hardwarebereich (iPad und Apple-TV) ebenso bei der genutzten Software (MS Office, MS Teams). Wer hier das versprochene Wunder erwartet, wird jedoch schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Updates bei Apple-TVs, die nicht geplant werden können und zudem noch einen Nutzereingriff erfordern, haben nichts mit Nutzerfreundlichkeit zu tun.

In OneNote-Kursnotizbüchern, die für eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern erstellt wurden, sollen lediglich die eigenen Arbeitsergebnisse sichtbar sein. Auf alle Ergebnisse soll nur die Lehrkraft zugreifen können. Was läuft da schief, wenn plötzlich auch Schüler auf alle Seiten Zugriff haben?

iPads, die ursprünglich für den persönlichen Gebrauch gedacht waren, müssen, weil sie im schulischen Umfeld von mehreren Personen genutzt werden sollen, plötzlich Mehrbenutzerfähigkeit mitbringen. Das ist eine Fähigkeit, die Bestandteil von iOS sein müsste. Dazu ist es aber bisher nicht befähigt. In MS Teams war bis vor kurzem eine Abmeldung eines Nutzeraccounts nicht enthalten. Die Folge war, dass der nachfolgende Nutzer Zugriff auf fremde Daten bekam, aber seine eigenen Daten nicht aufrufen konnte. Dies ist mittlerweile behoben, der Abmeldedialog ist aber derart tief in einem Menü verborgen, dass es dem unerfahrenen Nutzer nicht möglich ist, seine Daten vor dem Zugriff anderer zu schützen. Sich von einem Account abmelden heißt schon lange nicht mehr, das Programmfenster zu schließen.

Wer den Lobgesang von Frau Zünkeler von der CDU auf die Produkte eines allseits bekannten Monopolisten im Softwarebereich gehört hat, musste sich fragen: Hat Frau Zünkeler mitbekommen, dass nach dem Safe Harbor Abkommen nur auch der EU-US Privacy Shield vom EuGH gekippt wurde? Es gibt keine rechtsverbindliche Vereinbarung, dass unsere Daten in den USA durch unsere Gesetze vor unberechtigtem Zugriff geschützt sind Hat sie den Beschluss ihrer Partei auf dem 32. Parteitag zur Kenntnis genommen, in dem sich die CDU zur Nutzung von offenen Standards und Schnittstellen bekennt. Die gibt es bei GAFAM (Google, Apple, Facebook, Amazon, Microsoft) nicht.

Können mit dem Argument, dass es sich bei den Produkten der Firma Microsoft um weltweite Standards handelt, jegliche Datenschutzbedenken vom Tisch gewischt werden? Bei obigem Beschluss bekennt sich die Partei zur Datensouveränität der Nutzer und zur Weiterentwicklung des Datenschutzrechts. Können die Datenschutzgesetze der EU mit einer Einverständniserklärung der Eltern zur Nutzung der Produkte von Microsoft außer Kraft gesetzt werden?

Es existieren Softwareprodukte, die allesamt aus dem Bereich der OpenSource kommen, die die Datensouveränität des Nutzers respektieren. Diese Programme zu nutzen, erfordert aber deren Installation auf dem eigenen Gerät. Überfordert schon das die meisten Nutzer, ist es mit deren Digitalkompetenz nicht weit her.

Das dickere Brett, das es zu bohren gilt ist, den Nutzern digitale Kompetenz zu vermitteln. Das aber z.B. kann Schule nicht vermitteln, wenn auf die Systeme der Weltmarktführer gesetzt wird. Das liegt gar nicht in deren Interesse. Deren einziges Interesse sind zahlende Kunden. Und die liefert ihnen Schule jetzt kostenlos, in dem es deren Produkte verpflichtend einführt.

Liebe Politiker, setzt bitte die Beschlüsse, die auf höheren Ebenen schon lange getroffen sind, endlich auf kommunaler Ebene um. Auch in der Schule sollte die Regel »Public Money? Public Code!« gelten.

Bernd Zeitzen

BerndZeitzen/Leserbrief/2020-09-05 (zuletzt geändert am 2020-09-12 11:11:30 durch KurtGramlich)

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