IPPNW-Presseinformation vom 9. Maerz 2012 Aerzte warnen zum Fukushima-Jahrestag:

Schwerwiegende Folgen fuer Mensch und Umwelt sind zu erwarten

Der mehrfache Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima Dai-ichi vor einem Jahr fuehrte zu einer massiven Freisetzung von Radioaktivitaet. Laut dem norwegischen Luftforschungsinstitut NILU wurde in den ersten vier Tagen der Katastrophe im Vergleich zu Tschernobyl die 2,5-fache Menge des radioaktiven Edelgases Xenon-133 freigesetzt, sowie 20 % der Menge an Jod-131 und 40-60 % der Menge an Caesium-137. Waehrend Jod-131 mit seiner kurzen Halbwertszeit von acht Tagen eine akute Gefahr fuer die Gesundheit darstellt, strahlt Caesium-137 mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren noch viele Jahrzehnte weiter. Der Nordpazifik wurde durch die Atomkatastrophe mit 15-27 PBq radioaktiver Substanzen kontaminiert. Sie stellt somit schon jetzt die groesste zivile Verseuchung der Weltmeere in der Geschichte der Menschheit dar. Nach Angaben des franzoesischen Instituts fuer Strahlensicherheit IRSN leben 70.000 Menschen weiterhin in den hoch kontaminierten 870 km^2 ausserhalb der Evakuierungszone; 9.500 davon sind Kinder. In diesen Gebieten wurden die Menschen nach Berechnungen des IRSN im vergangenen Jahr einer Gesamtdosis von bis zu 200 Millisievert pro Person ausgesetzt. Das entspricht dem Zweihundertfachen der natuerlichen Hintergrundstrahlung.

Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass sich diese Angaben lediglich auf die aeussere Strahlung beziehen. "Die groesste gesundheitliche Gefahr nach einem solchen Atomunfall stellt jedoch die innere Verstrahlung durch radioaktiv verseuchte Nahrung und die Inhalation von radioaktivem Staub dar", erklaert der Kinderarzt Dr. Alex Rosen, IPPNW. In Obst- und Gemueseproben sowie in Fleisch, Fisch, Algen, Reis, Milch, Tee und Leitungswasser wurden zum Teil sehr stark erhoehte Strahlungswerte gemessen. Die deutsche Gesellschaft fuer Reaktorsicherheit untersuchte im April 2011 die Strahlenbelastung in Nordost-Japan. Sie kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass sich beim Verzehr von nur 100 g Algen eine effektive Dosisbelastung zwischen 2,2 Millisievert bei Rotalgen und 220 Millisievert bei der Braunalge Kombu ergeben wuerde. Eine einzige Algenmahlzeit koennte so bereits zum doppelten oder gar zweihundertfachen Ueberschreiten des offiziellen Jahres-Grenzwerts der Bevoelkerung fuehren. Dieser liegt gemaess der deutschen Strahlenschutzverordnung bei 1 Millisievert (innere und aeussere Exposition zusammengerechnet).

Die IPPNW teilt die Einschaetzung der IRSN: Die Menschen muessen aus den verstrahlten Gebieten evakuiert werden, denn sie sind einer so hohen Strahlenbelastung ausgesetzt, dass man, wie bei den Bewohnern der hoch kontaminierten Zonen nach Tschernobyl, mit einer extrem hohen Krebsrate, Fehlgeburten, Missbildungen, genetischen Erkrankungen bei Neugeborenen sowie unzaehligen Nichtkrebserkrankungen rechnen muss.

Die Internationale Strahlenschutzkommission ICRP empfahl im April 2011, die Grenzwerte fuer die Bevoelkerung bei Atomunfaellen auf 100 Millisievert/Jahr zu erhoehen. "Das ist aus aerztlicher Sicht unverantwortlich", so die langjaehrige IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claussen. Vor allem Kinder sind besonders gefaehrdet, da sie strahlensensibler als Erwachsene sind. Schon eine Dosis von 5 Millisievert waehrend der Schwangerschaft kann das spaetere Leukaemierisiko fuer die Kinder verdoppeln. Auf Grund der Tatsache, dass Jodtabletten von offizieller Stelle nicht an die Bevoelkerung verteilt wurden, haben die Menschen, die radioaktives Jod-131 eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen haben, ein erhoehtes Risiko, an Schilddruesenkrebs zu erkranken. Das gilt insbesondere fuer Kinder. Hintergrundpapier von Dr. Alex Rosen ueber die Folgen von Fukushima fuer Umwelt und Gesundheit unter:

http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/FukushimaBackgroundPaper.pdf

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