Leserbrief an das Westfalen-Blatt zum Bericht/Kommentar „Streit über die Ausbauplanung“ vom 20.05.2023
Die Zahl von 20.000 zusätzlichen Autos pro Tag im Korridor Ummeln ist den offiziellen Prognosen des Bundesverkehrsministeriums entnommen. Die bestreitet der Kommentator auch nicht. Aber er behauptet, dass diese 20.000 Autos bereits jetzt unterwegs seien, eben nur auf anderen Straßen. Die Ortsumgehung Ummeln bündele bereits vorhandene Verkehre, sie erzeuge keine neuen. Dem muss ich entschieden widersprechen. Wenn in einem Korridor durch eine Aus- oder Neubaumaßnahme die Autoverbindung schneller wird, hat das immer verkehrserzeugende Wirkung. So wird die Wettbewerbssituation gegenüber anderen Verkehrsmitteln verändert: Die Nutzung des Autos wird attraktiver, die der Bahn wird unattraktiver. Das kennt man seit Jahrzehnten aus Hunderten Beispielen. Als 2019 der endgültige Lückenschluss der A33 erfolgte, brachen die Fahrgastzahlen beim Haller Willem um 20 % ein. Es gibt einen zweiten Effekt, den die Fachleute mit dem Begriff der Entfernungstoleranz beschreiben. Die Bereitschaft, z. B. von A nach B zu pendeln, richtet sich in der Regel nach dem Zeitaufwand, nicht nach den Kilometern. Wird der Autoverkehr schneller, werden größere Entfernungen in Kauf genommen, weil der Zeitaufwand gleich bleibt. Das treibt die Pendlerzahlen nach oben, das erhöht auch die Zahl der Menschen, die mit dem Auto zum Einkaufen oder zu Kulturevents in eine andere Stadt fahren. Diese Effekte sind wissenschaftlich gründlich untersucht und belegt. Der augenfälligste Beleg ist die hohe Korrelation zwischen Fernstraßenausbau und Verkehrszunahme in den letzten fünf Dekaden.
Der Kommentator behauptet, fürs Klima sei es egal, wo das CO2 erzeugt werde, ob auf diversen Schleichwegen oder gebündelt auf der Ortsumgehung Ummeln. Es komme auf die Gesamtmenge an. Das ist richtig. Aber was wissen wir denn über die Gesamtmenge? Fast nichts. Im Bundesverkehrswegeplan gibt es nur sehr grobe Angaben dazu. Dort wird übrigens nirgendwo bestritten, dass solche Aus- und Neubaumaßnahmen insgesamt zu mehr CO2 führen. Was das Bündnis „Verkehrswende OWL“ fordert, ist eine seriöse Klimaverträglichkeitsprüfung. Im Klimaschutzgesetz ist in §13 vorgeschrieben, dass bei allen Planungen die Zielvorgaben des Gesetzes berücksichtigt werden müssen. Eine solche Berücksichtigung, also eine verantwortbare Abwägung gegenüber anderen Belangen, ist nur möglich, wenn die klimarelevanten Daten auch ermittelt werden. Das passiert aber nicht. Ich spitze es mal zu: So wie die Ortsumgehung Ummeln geplant wird, widerspricht sie dem Klimaschutzgesetz. So etwas nennt man üblicherweise gesetzeswidrig. In einem demokratischen Rechtsstaat sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass sich die planenden Behörden und natürlich auch die Politik an die Gesetze halten.
gez. Godehard Franzen /26.05.2023