Hier sammeln wir Infos zum Thema Kreislaufwirtschaft.
Deutschland ist in Sachen Kreislaufwirtschaft ein Entwicklungsland
Am 10.12. sprachen wir im Zuge unserer Online-Seminarreihe „bRENNglas Corona-Krise“ mit Professor Klaus Helling vom Umwelt-Campus Birkenfeld, Martina Wolters von "Cradle to Cradle NGO" und Teilnehmenden über Kreislaufwirtschaft. Neben dem Nachbericht kann auch ein Videomitschnitt des Webinars angesehen werden - der Link findet sich ganz unten.
Es ist ein Dilemma: Wir möchten allen Menschen Wohlergehen ermöglichen, aber dabei die Ressourcen unseres Planeten nicht überstrapazieren, also die „planetaren Grenzen“ wahren. Doch genau das ist bislang noch keinem Land der Erde geglückt. Wir verbrauchen global betrachtet so viele Ressourcen, als stünden uns 1,6 Erden zur Verfügung. Nur aufgrund der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen massiven Ausbremsen von Produktion und Konsum ist der Ressourcenverbrauch in diesem Jahr ausnahmsweise etwas geringer als in den Vorjahren.
Doch es steht zu befürchten, dass sich auch im kommenden Jahr wieder der gegenläufige Trend einstellen wird und der Ressourcenverbrauch ansteigt, denn die Entkopplung von Wirtschaftsentwicklung und Ressourcenverbrauch ist bislang nicht gelungen.
Hoher Verbesserungsbedarf im Bereich Wiederverwertung
„Die Notwendigkeit einer Kreislaufwirtschaft ist absolut gegeben“, sagt deshalb Professor Klaus Helling vom Umwelt-Campus Birkenfeld. Genauso klar stellt er jedoch auch fest: „In Punkto Kreislaufwirtschaft sind wir eigentlich ein Entwicklungsland, obwohl wir im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht dastehen.“ Denn bislang stelle sich nur eine Verlangsamung der Stoffdurchflüsse der linearen Wirtschaft ein.
Das liegt zum einen an der geringen realen Wiederverwertungsrate – die liegt in Deutschland aktuell bei 14 Prozent. Obwohl Recyclingquoten vorgeschrieben sind und Müll vorbildlich getrennt wird, gehen beispielsweise etwa 60 Prozent der im „Gelben Sack“ gesammelten Verpackungen in die Müllverbrennung. Oder im Bereich der Bauabfälle, dem mengenmäßig größten Abfallstrom, werden Recyclingbaustoffe oft von Auftraggebern abgelehnt. Das könne der Gesetzgeber durchaus ändern und Einsatzquoten für Recyclingbaustoffe vorschreiben, so Helling.
Halbierung der Emissionen durch Kreislaufwirtschaft möglich
Professor Helling weist hier auch auf den Zusammenhang zwischen Kreislaufwirtschaft und Energiewende hin, denn knapp die Hälfte der globalen Materialflüsse (44% im Jahr 2005) dienten der Energiegewinnung. Alleine in Deutschland könne eine echte Kreislaufwirtschaft die Emissionen bis 2030 fast halbieren. Ohne Kreislaufwirtschaft also keine Energiewende und umgekehrt.
Letztlich müsse aber auch der Suffizienzansatz eine größere Rolle spielen. Wir sollten uns besser überlegen, was wir überhaupt brauchen und wo wir verzichten können: recycelbare PET-Flaschen für Mineralwasser seien überflüssig, da wir unser gutes Leitungswasser trinken können.
Produktdesign als zentraler Punkt
Zentral ist laut Helling außerdem, die Produkte noch viel stärker auf eine Kreislaufführung auszurichten. Beim Produktdesign sollte also schon mitgedacht werden, dass die Rohstoffe möglichst gut im Kreislauf gehalten werden können. Die Produkte also länger nutzbar, gut reparierbar oder die einzelnen Rohstoffe wiederverwendbar und nicht schädlich für die Umwelt sind.
Ein solches Designkonzept ist „Cradle to Cradle“ (C2C) – von der Wiege zur Wiege, im Gegensatz zum „Cradle to Grave“ – von der Wiege ins Grab, was der Regelfall in der linearen Wirtschaft ist. Martina Wolters von der Cradle to Cradle NGO Ehrenamt, Regionalgruppe Bochum-Dortmund, stellt die Grundprinzipien des Konzeptes vor und wünscht sich, dass wir „stärker von Vorne denken, statt von hinten“, und uns fragen welche Materialien wir überhaupt im Kreislauf halten wollen.
Stärker von Vorne denken, statt von hinten
Sie erläutert, das mit C2C nicht nur andersartige Produkte, sondern auch neue Geschäftsmodelle denkbar sind. Schließlich habe ein Hersteller womöglich ein viel größeres Interesse daran, im Besitz seines Produktes und der wertvollen Rohstoffe zu bleiben und könne einfach nur die Dienstleistung verkaufen. Produkte wie z.B. Waschmaschinen könne der Hersteller zurücknehmen, wiederaufbereiten oder aus den Rohstoffen andere Produkte herstellen. „Und ganz ehrlich: im Prinzip wolle wir alle nur waschen – die Waschmaschine interessiert uns gar nicht so sehr“, unterstreicht Wolters ihre Argumentation.
Neben diesem „technischen Kreislauf“ denkt Cradle to Cradle Produkte auch in einem „biologischen Kreislauf“ neu. Im biologischen Kreislauf kommt es vor allem darauf an, dass Produkte aus biologischen Rohstoffen hergestellt werden, die am Ende der Nutzung kompostiert und so wieder zu Nährstoffen werden können. „Wir wollen nicht weniger schlecht sein, das reicht uns nicht, sondern wir wollen wirklich nützlich sein“, fasst Martina Wolters das Credo von Cradle to Cradle zusammen.
Es braucht Mut und positive Visionen
Professor Helling wünscht sich zum Abschluss, dass wir uns in der Debatte um die Kreislaufwirtschaft ehrlich machen und anerkennen, dass es zum einen sehr komplexe Prozesse sind und wir zum anderen noch nicht so weit gekommen sind, wie wir sein könnten. Dennoch mache ihm Hoffnung zu sehen, wie viele tolle Ideen es gibt und wie viele Menschen sich engagieren, vor allem seine Student*innen am Umwelt-Campus machen ihm Mut. Martina Wolters sieht genau das im C2C-Ansatz: „Wir brauchen eine positive Zukunftsvision, die uns hilft, in Schwung zu kommen, in die Umsetzung zu kommen und loszugehen – weil wir auch irgendwo ankommen wollen.“
Das Online-Seminar „bRENNglas Corona-Krise: Wie geht es weiter mit … Kreislaufwirtschaft?“ am 10. Dezember 2020 wurde aufgezeichnet.