7 Thesen zur B 64n-Planung
1. Die B 64n ist nicht notwendig, denn es gibt bessere Wege zwischen MS und BI.
Hauptgrund für die Planung einer B 64n war die bessere Verbindung der Oberzentren Münster und Bielefeld. Ursprünglich sollte in den 1960er Jahren die Autobahn 43 von Münster bis Bielefeld weitergeführt werden. Für die 62 Kilometer Luftlinie zwischen den Zentren von MS und BI bieten die Routenplaner viele Wege, z.B. über die A 1 und A 2 (134 km, 1:18 h), über die A 1, A 30, A 33 (106 km, 1:18 h), über die L 586 bis Beckum, A 2 (94 km, 1:17 h), über die B 64, A 2 (90 km, 1:24 h), über die B 51, A 33 (78 km, 1:28 h). Auf der letztgenannten Strecke wird die noch bestehende Lücke der Autobahn 33 zurzeit auf einer Länge von 28 km für geplante Kosten von 355 Millionen Euro geschlossen. Nach dem Lückenschluss, der für das Jahr 2019 erwartet wird, dürfte diese kürzeste Strecke auch die schnellste Strecke zwischen Münster und Bielefeld sein. Der Umweg über die B 64 wird dann uninteressant.
2. Die B 64n ist aus Naturschutzgründen nicht akzeptabel.
Die dreistreifig (2+1 Fahrstreifen) geplanten B 64n-Ortsumgehungen Warendorf, Beelen und Herzebrock-Clarholz verbrauchen wertvolle, heute vor allem land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen in einer Größenordnung von rund 250 Hektar. Das sind 2.500.000 Quadratmeter; das entspricht 350 FIFA-Norm-Fußballplätzen (Fifa-Norm: 105 x 68 m = 7140qm).
Hinzu kommen die gesetzlich vorgeschriebenen, etwa ebenso umfänglichen Ausgleichsflächen sowie der aufgrund des vorgesehenen Ausbaustandards 2+1-Kraftfahrstraße erforderliche Flächenbedarf für das parallele Wegesystem.
Ortsumgehung |
Warendorf |
Beelen |
Herzebrock-Clarholz |
Verkehrsfläche in Hektar |
ca. 100 |
45 |
ca. 100 |
Ausgleichsfläche in Hektar |
ca. 100 |
45 |
ca. 100 |
Brückenbauwerke |
10 |
5 |
19 |
Streckenlänge in km |
9,0 |
4,1 |
8,9 |
Kosten (Stand 2012) in Millionen Euro |
41 |
19 |
41 |
Die neue Strecke zerstört hochwertige Wald- und Biotopverbundsysteme und bedroht seltene Tierarten. Sie gefährdet das Wasserschutzgebiet in der Bauerschaft Vohren. Sie verlagert den Straßenlärm in die Bauerschaften und in die Wohngebiete in Ortsrandlage, ohne ihn in den Ortsdurchfahrten wesentlich zu reduzieren. Die heute für die Naherholung und den sog. „Sanften Tourismus“ wertvolle Landschaft wird massiv entwertet.
3. Die B 64n zerstört gewachsene Kulturlandschaft.
Die Trasse der drei Ortsumgehungen zerschneidet intakte Bauerschaften.
Gewachsene Nachbarschaften werden auseinandergerissen, Zugänge von den
Höfen zu den Ackerflächen erschwert. Die B 64n schafft durch die geplanten Dammlagen Wälle von sechs bis acht Metern Höhe, wo heute noch freie Landschaft ist. Die Dämme werden eine raumtrennende Wirkung entfalten in einer Gegend, die von der Offenheit des Raumes lebt, die nur durch die landschaftstypischen Hecken unterbrochen wird.
Die B 64n missachtet vollkommen die historischen Landschaftsbeziehungen vor allem im Bereich des Klosters Clarholz und der früher dazu gehörenden Höfe. Heute bestehende Wege werden willkürlich gekappt, für die neuen „planfreien“ Kreuzungen werden 34 massive Brückenbauwerke in eine filigrane Landschaft gestellt. Die gesetzlich notwendigen Ausgleichsflächen sind nur auf bisher landwirtschaftlich genutzten Äckern und Wiesen zu finden; sie werden die örtliche Landwirtschaft weiter schwächen.
4. Die B 64n wird in den nächsten 15 Jahren nicht gebaut werden.
Die von der Verkehrsministerkonferenz einberufenen Kommissionen unter dem Vorsitz der früheren Bundesverkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) und Kurt Bodewig (SPD) haben festgestellt, dass bundesweit jährlich für die Erhaltung der Infrastruktur 7,5 Milliarden Euro fehlen. Demzufolge sind sich alle Fraktionen im Bundestag inzwischen einig, dass das Grundkonzept für den kommenden Bundesverkehrswegeplan lauten muss: „Erhalt vor Neubau“. Auf Erhaltungsmaßnahmen sollen 70 Prozent der Infrastrukturmittel entfallen, in Aus- und Neubau sollen 30 Prozent fließen.
Von diesen Geldern für den Aus- und Neubau sollen zu 80 Prozent überregional bedeutende Autobahnprojekte finanziert werden - vor allem der Umbau von Autobahnkreuzen, die Erweiterung von zu wenig leistungsfähigen Bundesautobahnabschnitten und das Schließen von Lücken im Autobahnnetz. Diese Projekte sollen in einer neu eingeführten Prioritätsstufe „Vordringlicher Bedarf plus“ gebündelt werden.
Die notwenigen Mittel für den Erhalt der vorhandenen Infrastruktur sind bei Weitem noch nicht gesichert. Die von der Berliner Koalition vereinbarten zusätzlichen 5 Milliarden Euro für die laufende Legislaturperiode werden weitgehend für die Kompensation von Mindereinnahmen bei der Maut und für bereits begonnene Projekte gebraucht.
Aus dem noch geltenden Bundesverkehrswegeplan 2003 sind nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums Projekte in einer Größenordnung von 89 Milliarden Euro noch nicht realisiert. Die jetzt allein vom Land NRW dem Bund gemeldeten Vorschläge für den kommenden BVWP umfassen Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von ca. 20 Mrd. Euro.
Angesicht dieser Sachlage ist es vollkommen aberwitzig zu glauben, die drei Ortsumgehungen von Warendorf; Beelen und Herzebrock-Clarholz, die zusammen die B 64n bilden, könnten bei sachgerechter Betrachtung in die Kategorie
„Vordringlicher Bedarf plus“ des Bundesverkehrswegeplans 2015 eingruppiert
werden. Wer glauben machen will, der Bau der B 64n werde im Zeitrahmen des Bundesverkehrswegeplans 2015 bis zum Jahr 2030 begonnen, täuscht die Öffentlichkeit.
5. Die B 64n wird von der demografischen Entwicklung überholt werden.
Bleibt das Argument: Wenn sie denn nicht gebaut wird bis 2030, so könnte man zu diesem Zeitpunkt doch zumindest fertige Planungen, Planfeststellungsbeschlüsse, Baurecht und vielleicht sogar vorbereitete Ausschreibungen haben, um im Falle eines plötzlichen Geldsegens mit dem Bau sofort beginnen zu können.
Auch die Planung kostet Geld. Geld, das übrigens das Land, nicht der Bund bezahlt. Nach geltender Rechtslage trägt das Land als Auftragsverwaltung für den Bund die Kosten der Planung, der Bund erstattet lediglich nach Fertigstellung des Baus drei Prozent der Planungskosten. Das Land muss aber die Planung auf die absolut notwendigen Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen konzentrieren, will es nicht Gefahr laufen, dass bald weitere bestehende Brücken für den Schwerlastverkehr gesperrt werden müssen, und damit für die heimische Wirtschaft zu einem unkalkulierbaren Risiko werden.
Hinzu kommt: Über 60 Eigentümer, vor allem Landwirte, entlang der geplanten Trasse haben heute bereits erklärt, dass sie für den Bau dieser Straße keinen Grund und Boden zur Verfügung stellen werden. Nach allen Erfahrungen würde auch ein zügiges Weiterplanen mit den notwendigen Planungsschritten bis zum Planfeststellungsverfahren, mit Enteignungen und den dazu gehörenden Gerichtsverfahren 20 Jahre in Anspruch nehmen. Kaum einer der heutigen Akteure würde den Bau noch erleben.
Auch die mehrjährige Bauzeit der 22 km Ortsumgehung mit heutigen Kosten von über 100 Millionen Euro würde für die betroffenen Anlieger und die Ortschaften eine erhebliche Belastung darstellen.
Die Bevölkerung auch in NRW wird weniger und älter. Der Anteil der Bevölkerung im Alter unter 18 Jahren sinkt auf rund 15%, während die Bevölkerung über 65 Jahren um mehr als 27 Prozent, der Anteil der Hochbetagten über 80 sogar um mehr als 38 Prozent zunimmt. Alte Menschen brauchen eine andere Mobilität; vor allem brauchen sie keine Beschleunigung. Auch entlang der B 64 wird bis 2030 die Bevölkerung um etwa 10 Prozent weniger werden. Wer wird im Jahr 2040 noch eine B 64n haben wollen?
6. Festhalten an der B 64n blockiert konkrete Verbesserungen.
Das Festhalten an den Neubauplänen spaltet die Bewohner der Ortschaften in Befürworter und Gegner der Straßen, statt die Bevölkerung zusammenzuführen und ihr kreatives Potenzial für Pläne zur konkreten Verbesserung der Mobilitäts-verhältnisse zu nutzen.
Wir wollen die absurde Argumentation durchbrechen, die sagt, das kostet uns doch nichts; die Straße zahlt ja der Bund, die Planung zahlt das Land, Hauptsache das Geld fließt in unsere Region. Leider gibt es immer noch Verantwortungsträger, die so argumentieren. Es sind immer noch unser aller Steuergelder; und uns ist es nicht egal, ob damit Sinnvolles geschieht oder an überholten und veralteten Großprojekten festgehalten werden soll.
7. Es gibt Alternativen zum Straßenneubau.
Befürworter und Gegner der B 64n-Planung sollten miteinander über konkrete Verbesserungen für die Mobilität von Menschen und Gütern ins Nachdenken kommen. Eine Chance für vernünftige, praktikable und finanzierbare Lösungen sehen wir nur dann, wenn die Pläne für den Bau der Autoschnellstraße B 64n definitiv aufgegeben werden.
Dann lässt sich z. B. darüber sprechen,
- wie auf der bestehenden B 64 Bahnübergänge und andere Gefahrenpunkte verkehrssicherer gestaltet werden können,
- wie und ob neue Abbiegespuren den Verkehr auf der bestehenden B 64 flüssiger machen können,
- ob zusätzliche Überholstreifen zwischen den Ortschaften zu einem beschleunigten Verkehrsabfluss führen,
- wie die Strecke zwischen Warendorf über Beelen nach Herzebrock-Clarholz und zurück zu einer auch touristisch vorbildlichen Fahrrad-, Pedelec- und E-Bike-Strecke entwickelt werden kann,
- wie die parallele Bahnstrecke, die in den vergangenen Jahren bereits enorme Zuwächse bis zu 70 % verzeichnen konnte, attraktiver entwickelt werden kann, vor allem durch Wegfall bzw. Sicherung der zahlreichen ungesicherten Bahnübergänge. Dadurch würde die Einrichtung eines Halbstundentakts auf dieser Strecke ermöglicht.
- welche Maßnahmen (Modernisierung der Signalanlagen, Verwendung lärmoptimierten Asphalts, Sperrung für Transitverkehr, Umschilderung etc.) zu einer deutlichen Entlastung der Ortsdurchfahrten führen können.
Diese Überlegungen und ihre Umsetzung könnten unsere Ortschaften und unsere Region voranbringen. Und das wollen wir.