Interview mit der Neuen Westfälischen 2021
Die Verkehrswende führt in Zusammenarbeit mit der Polizei seit Jahren akribisch Statistik über Wildtierunfälle. Welche Beobachtungen konnten Sie selbst in dieser Zeit machen was die Entwicklung der Zahlen angeht?
Wir analysieren die Unfälle seit 2015. Damals haben wir Wildunfälle nicht wahrgenommen. Wir waren stolz auf die genaue Analyse von Unfällen zwischen PKW und Fahrrad. Die Erkenntnis kurzgefasst: 75 % der Unfälle zwischen Auto und Fahrrad werden durch das Auto verursacht. Deshalb machen weniger Autos in der Innenstadt auch Sinn. Die zweite Erkenntnis war, dass Radfahrende auf der Fahrbahn ein geringeres Risiko haben, übersehen zu werden.
Zu den Wildunfällen kamen wir, als wir anfingen, Unfälle nach den Ursachen auszuwerten. Und dann der Schock: Über 1000 Unfälle mit Tieren.
Man darf von einem Massenphänomen sprechen. Werden tote Tiere als Kollateralschaden im Verkehr akzeptiert oder warum wird so wenig Aufsehens davon gemacht?
Ein Unfall gilt in unserer Gesellschaft immer noch als ein Einzelfall, da hat halt jemand Pech gehabt. Erst wenn man die Zahlen kennt, kommt man zu dem Ergebnis, dass dies wohl ein strukturelles Problem darstellt. Weil es nicht bekannt ist, gibt es auch kein Aufsehen. Vor dem Aufsehen kommt nun mal das Sehen.
Wir akzeptieren auch ein Verkehrssystem mit 7894 Unfällen allein in 2020 im Kreis Gütersloh, 12 Tote, 239 Schwerverletzte.
Auffällig ist, dass Wildunfälle hauptsächlich an Kreis- und Landstraßen erfolgen. gut erkennbar an Borgholzhausener Straße, Versmolder Straße, Kölkebecker Straße, Münsterlandstraße oder etwa der L782 zwischen Gütersloh und Halle. Ist der Rückschluss zulässig, dass die Geschwindigkeit an diesen Straßen maßgeblich ursächlich ist für die Unfälle?
Statistisch würde ich sagen ja, im Einzelfall nein. Klar ist, wer langsamer fährt, hat mehr Zeit zur Reaktion. Wir Menschen haben für Geschwindigkeiten leider keine gute Wahrnehmung. Bequeme Autos von heute vermitteln im Innenraum ein trügerisches Sicherheitsgefühl. Wären es noch alte Klapperkisten, die bei 10 kmh schneller doppelt so laut klappern, würden alle vorsichtiger fahren.
Die Verkehrsuntersuchungen zeigen, dass je breiter eine Straße ist, je weniger die Straße gekrümmt ist, desto schneller wird gefahren. So ist die Straße von Werther nach Borgholzhausen für den normalen Verkehr viel zu breit. Sie verführt zum zu schnellen Fahren. Sie ist ja auch einmal als Panzerstraße gebaut worden. Der Teutoburger Wald als Abwehrblock gegen die Russen.
Ist aus der Sicht der Verkehrsanalytiker in den vergangenen Jahren genügend getan worden, um Wildunfälle zu verhindern?
Wir begrüssen die Aufklärungsarbeit der Polizei, davon kann es nicht zuviel geben. Die Warnungen sollten vielleicht vor der statistischen Zeit der Unfälle kommen. Aus der Vergangenheit kann man die Zeiten des Wildwechsels mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen.
Wildwechselschilder stehen bisweilen wahllos und mit langen Kilometerangaben für die Gültigkeit am Wegesrand. Ist das eine Hilfestellung für den Verkehrsteilnehmer?
Unser Gedächtnis fährt am Schild vorbei und wenn es nicht innerhalb von wenigen Minuten wiederholt wird, ist es aus dem Kurzzeitgedächtnis raus.
Wie lauten Ihre Forderungen, was ist zu tun?
Es wir allgmein zu schnell gefahren. Wir sollten die Geschwindigkeit runternehmen, wo immer es möglich ist. Erfahrene Autofahrende passen ihre Geschwindigkeit besonders in der Dämmerung und nachts an.
Zu den in der Analyse gefundenen Uhrzeiten sollte man versuchsweise eine zeitlich beschränke Geschwindigkeitsbeschränkung einführen. Die Geschwindigkeitsdaten erfassen und wenn erforderlich den mobile Blitzer zu Hilfe nehmen. Damit würden mehr Tiere am Leben bleiben.
Danke für die Unterstützung
Dank an die Verkehrswende AG der Bürgerinitiative Energiewende, an Projektkoordinator Kurt Gramlich und Debian-Entwickler Jonas Smedegaard, Andre B. und Benedikt Wildenhain für die Unterstützung. Dank auch an das Team von Openstreetmap. Dank auch an die vielen Anregungen von Meinolf K., Heinz F. und Jan B. zum Einstieg in die Unfallanalyse.
Wir danken auch dem Gemeinde-Unfall-Versicherungs-Verband (GUV) für die Erlaubnis, die Icons des Unfalltyps verwenden zu dürfen.
Nicht zuletzt Dank an die Kreispolizeibehörde Gütersloh für die Kooperation. Wir hoffen, damit Strukturen und Muster zu finden, die Unfälle verursachen und mit zu helfen, diese zu beseitigen.